Für Christen ist der Friede eine uralte Mission: Deshalb müssen sie sich an alle Völker erinnern, die unter den Wunden von Gewalt und Hass leiden
Es wird leider keinen weihnachtlichen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland geben. Dies war sehr erhofft worden. Die gemeinsamen christlichen Wurzeln der beiden Völker, die aus der Taufe der Russ hervorgegangen sind und seit langem in der Gemeinschaft derselben orthodoxen Kirche leben, hätten diesen Schritt unterstützen müssen. So droht der Krieg kein Ende zu nehmen. Für Christen steht Weihnachten für Frieden.
Der stärkste Ausdruck des Bösen ist der Krieg. Und doch beherrscht er unsere Tage. Das gilt nicht nur für die Ukraine. Der Ukraine-Konflikt betrifft uns Europäer wegen unserer geografischen Nähe und der Flüchtlinge, die unter uns sind.
Es gibt viele andere Kriege weltweit, bis zu 23 aktive Konflikte hoher Intensität, zu denen noch weitere offene oder latente Spannungen hinzukommen. In Berg-Karabach kommt es zu gefährlichen Spannungen zwischen Armeniern und Azerbaidschanern, nachdem Armenien durch Zusammenstöße gezwungen wurde, sich aus einem Teil der Region zurückzuziehen. Die Azerbaidschaner haben die Gaslieferungen und die Straßenverbindungen zu Armenien blockiert. Die Türkei bereitet eine Intervention gegen die Kurden in Syrien vor und beschuldigt sie der Mitschuld an einem Anschlag in Istanbul: Was wird aus ihnen, nachdem sie sich gegen Daesh gewehrt haben?
Schließlich gibt es in Syrien seit mehr als zehn Jahren keinen Frieden, auch wenn die Sicherheit in den großen Städten gestiegen ist. Es gibt junge Menschen, die in ihrem Leben nur Krieg erlebt haben, der 2011 ausbrach und nie beendet wurde. In dieser globalen Welt mit vielen politischen Einmischungen und mächtigen Waffen nehmen Konflikte oft kein Ende. Wenn der Frieden einmal verloren ist, kann er nur schwer wiederaufgebaut werden. Der Jemen erlebt das, er ist ein Schlachtfeld zwischen den vom Iran unterstützten schiitischen Huthis und den Sunniten, die seit 2015 von Saudi-Arabien militärisch unterstützt werden. Dschihadistische Gruppen und andere militärische Kräfte breiten sich aus. Die Welt ignoriert das Leid der Jemeniten, die zwischen bewaffneten Konflikten, nicht explodierten Minen und Hunger, großem Hunger, hin- und hergerissen sind. Die Situation ist festgefahren, während ein Großteil des Landes (einschließlich des künstlerischen Erbes) zerstört wurde.
Kriege zerstören die Menschheit: Personen, ihre Geschichte, ihre Kultur. Ich denke an Tigray, ein Land, das für seine christlichen Geschichte bekannt ist: Äthiopische Truppen kämpfen gemeinsam mit Eritreern und Truppen verschiedener äthiopischer Volksgruppen gegen Tigrayaner. Währenddessen zerfällt Äthiopien, das einzige afrikanische Land mit einer langen unabhängigen Geschichte, ein Bollwerk in den internationalen Beziehungen des Kontinents. Das Horn von Afrika ist ein Gebiet mit gefährlicher Instabilität. Somalia, ein gescheiterter Staat, ist der endlosen Gewalt ausgeliefert: in erster Linie der radikalen Islamisten von Al-Shabaab. Der radikale Islamismus steht im Mittelpunkt vieler Krisen: in Mali, Burkina Faso und anderen Ländern. Es handelt sich nicht nur um eine religiöse Frage, sondern fundamentalistische Gewalt entwickelt sich auf dem Terrain ethnischer und sozialer Konflikte. Dies geschieht im Norden Mosambiks, das in diesem Jahr das 30-jährige Bestehen des 1992 wiedergewonnenen Friedens gefeiert hat. Heute sind fast 800.000 Mosambikaner vor der terroristischen Bedrohung aus dem Norden geflohen.
Diese "Reise" in das Leiden der Kriege auf der ganzen Welt führt an viele andere Situationen vorbei. An Weihnachten muss man sich nämlich an die Namen der Länder im Krieg erinnern.
Ein Christ wird keinen Frieden haben, solange die Welt nicht in Frieden lebt. Wir leben - sagt Papst Franziskus - in einem 'Weltkrieg in Bruchstücken'. Mit Gebet, Gedenken und Handeln kann jeder etwas tun. Damit das Jesaja-Wort, das in der Liturgie der Weihnachtsnacht gelesen wird, Wirklichkeit wird: "Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, wird verbrannt...!"
Die Christen unseres Jahrhunderts, die Erben des zwanzigsten Jahrhunderts, das ungeheure Massaker, Kriege und die Shoah erlebt hat, besitzen ein besonderes Gespür für den Frieden: Er ist eine uralte Mission. Clemens von Alexandrien lehrte: Christen sind 'eirenikon genos', ein friedliches Volk. Es sind friedliche Menschen, die die Welt daran erinnern, dass Frieden immer möglich und vor allem notwendig ist.
Leitartikel von Andrea Riccardi in Famiglia Cristiana vom 25/12/2022