Ez 37,1-5.11-14
Schwestern und Brüder,
wir sind in dieser Basilika versammelt, um für die Reise von Papst Franziskus in den Irak zu beten. Wir bitten den Herrn um seinen Schutz aller Iraker, dass alle bald das Geschenk des Friedens nach so viel Leid empfangen.
Der Papst ist heute Vormittag als „Botschafter des Guten, der Frieden und gute Nachrichten verkündet, die Heil ankündigen“ in Bagdad angekommen. Seine Anwesenheit ist ein Evangelium, sie ist eine gute Nachricht. Der Friedensbote hat die syrisch-katholische Kathedrale von Bagdad besucht, wo bei einem schrecklichen Attentat im Dezember 48 Personen ums Leben kamen: die Märtyrer unserer Zeit. Ein roter Marmorstreifen von Altar bis zur den Altarstufen erinnert an das Blut der Märtyrer.
Der Friedensbote reist nach Nadschaf, die heilige Stadt der Schiiten, um den Groß-Ayatollah al Sistani zu besuchen – den einige von uns 2014 in Nadschaf besucht haben – eine spirituelle Persönlichkeit und Bezugspunkt für die Schiiten. Er hat die Begegnung mit diesen Worten vorbereitet: „Ihr Seid Teil von uns, wir sind Teil von euch.“ Wir wissen, welche Bedeutung es für Araber hat, einen Gast im eigenen Haus zu empfangen: es ist die größte Freundschaftsgeste. Diese Geste führte im Leben von Abraham zur guten Nachricht einer sehr ersehnten Nachkommenschaft. Wir beten, dass aus dieser Begegnung viele Früchte des Dialogs und Verständnisses zwischen Christen und Muslimen hervorgehen. Der Friedensbote reist nach Ur, ins Land von Abraham, um mit den Kindern Abrahams für den Frieden zu beten, es werden auch Vertreter der Sabäergemeinde der Mandäer anwesend sein. Ein weiterer Schritt im Geist von Assisi, der in einem Land gegangen wird, in dem der Krieg von zu vielen Fanatikern als heilig angesehen wurde. Während der Geist von Assisi seit vielen Jahren gesagt hat, dass allein der Friede heilig ist.
Der Friedensbote wird die chaldäische Kathedrale des Hl. Josef in Bagdad besuchen und dort – zum ersten Mal für einen Papst – die Liturgie im chaldäischen Ritus feiern, deren Liturgiesprache Aramäisch ist, die Sprache Jesu, und die zu den ersten christlichen Liturgien gehört, sehr ähnlich dem Synagogengottesdienst. Er ehrt eine alte Kirche in diesem Land der Märtyrer, die in den ersten Jahrhunderten das Evangelium bis nach Indien und China gebracht hat und die heute eine große Emigration der Gläubigen durch den Krieg und Terrorismus erlebt.
Der Friedensbote reist nach Erbil, dem Hauptort der autonomen Region des irakischen Kurdistan, ein Symbol für das kurdische Volk, das viel Leid erlebt hat. In Erbil wird der Friedensbote Christen treffen, die dort Zuflucht und großzügige Gastfreundschaft in den harten Jahren des Kalifats von Daesch gefunden haben. Dort wird der Papst die Liturgie im Stadion der Stadt feiern. Der Friedensbote froher Nachrichten wird nach Mossul gehen auf den Platz der vier Kirchen (syrisch-katholisch, armenisch, orthodox, syrisch-orthodox und chaldäisch), die von 2014 bis 2017 durch Terrorangriffe zerstört wurden. In Mossul wurde im Juni 2007 Pfarrer Ragheed mit drei Diakonen getötet. Seine Stola wird in St. Bartholomäus aufbewahrt und wurde uns von seinen Eltern übergeben bei einem bewegenden Gebet. In Mossul wird der Papst für die Opfer des Krieges beten: gemeinsam für Christen, Muslime und Jeziden. Denn wir alle sind Geschwister. Der Friedensbote reist weiter nach Karakosch, besucht die syrisch-katholische Kirche, wo es eine lebendige christliche Gemeinde gab, die durch den sogenannten islamischen Staat vertrieben wurde und die heute wieder diese kleine Stadt besiedelt und Häuser und Kirchen wiederaufbaut. Der Bote froher Nachrichten wird das Evangelium der Auferstehung dorthin bringen, wo die Todesschreie und das tragische Getöse der Waffen erklungen ist.
Das vom Papst besuchte Land ist das Land von Euphrat und Tigris, es ist Mesopotamien, die Wiege alter Kulturen, Heimat von Abraham, dem Vater aller Gläubigen, das Land von Babylon, wohin die Juden deportiert wurden durch die Truppen von Nebukadnezzar nach der Eroberung von Jerusalem. Mit ihnen wurde auch der Prophet Ezechiel deportiert, der sich vom Herrn angetrieben nicht der Verzweiflung oder Entmutigung hingab, die viele Juden fern von ihrem Land als Flüchtlinge ergriffen hatte. Diese Volk durfte nicht als ausgetrocknete Gebeine angesehen werden. Es musste den Geist empfangen. Dieser Geist schenkt Kraft und vereint ein zerstreutes und resigniertes Volk. Der Herr lässt die ausgetrockneten, weil zerstreuten Gebeine wieder lebendig werden. Er fügt sie zusammen, um mit ihnen ein Friedensbündnis zu schließen. Natürlich ist das von Gott gewirkte Friedensbündnis unter den Völkern lebendig. Die Christen müssen sich diese Frage stellen lassen und überlegen: Wie können wir Männer und Frauen des Friedens, Handwerker des Friedens sein? Zugleich fragt sich die Kirche, ob sie nicht ein Zeichen der Einheit unter den Völkern und ein Bezugspunkt für die Menschheit auf dem Weg zum Frieden sein muss.
Der Herr stellt dem Prophet eine Frage: „Können diese Gebeine wieder lebendig werden?“ Es ist eine Bitte um Leben inmitten von sehr viel Tod. Menschlich ist das unmöglich, doch Gott wacht über die Geschichte der Völker. Das Wort des Herr erklingt immer als eine wichtige Frage angesichts des Gefühls, auf diesen Schauplätzen verloren zu sein. Es ist keine rhetorische Frage. Können diese Gebeine wieder lebendig werden? Kann der Irak im Frieden leben? In diesen Tagen gibt es eine Antwort auf diese Frage. Der Friedensbote – für dessen Mission und Schutz wir heute Abend beten – gibt eine Antwort durch seine Anwesenheit und sein Wort, das gute Nachrichten bringt. „Sprich als Prophet über diese Gebeine und sag zu ihnen: Ihr ausgetrockneten Gebeine, hört das Wort des Herrn! So spricht Gott, der Herr, zu diesen Gebeinen: Siehe, ich selbst bringe Geist in euch, dann werdet ihr lebendig.“ Welch große Mission ist dem Papst in diesen Tagen anvertraut! Doch die Hand des Herrn ist über ihm, er beschützt und segnet ihn. Der Geist erleuchtet das Wort.
Der Herr bittet, dass sein Lebensgeist an diese ausgetrockneten Gebeine weitergegeben werde, damit sie wieder lebendig werden. Der Geist ist Geschenk des Lebens. Der Geist ist der Vorübergang Gottes in einer ausgetrockneten Welt. Der Geist ist Hoffnung in dieser verzweifelten Welt, der Geist ist Kraft in einer von Leid ausgezehrten Welt, der Geist ist Führer in einer Welt von Menschen, die den Weg verloren haben. Der Prophet spricht und der Geist wirkt. Der Geist schenkt den ausgetrockneten Gebeinen wieder leben. Zur Zeit des Ezechiel war das „große Werk Gottes“, dass er einem Volk ohne Hoffnung Leben wiedergeschenkt hat. „Und es kam Geist in sie. Sie wurden lebendig und sie stellen sich auf ihre Füße – ein großes, gewaltiges Heer.“ Dieses Volk erlebte die Auferstehung und kehrte zum Leben zurück. Dafür beten wir heute Abend und wünschen, dass für die Christen im Irak – und für alle Iraker – bald der Tag der Auferstehung komme!
Danken wir dem Herrn, dass wir Zeugen einer Geschichte sein können, die sich in Bewegung setzt und nicht in Gräbern von tragischer Regungslosigkeit verschließt. Ein Mensch und ein Glaube versetzen Berge!