Allzu oft - und nicht nur in traditionalistischen Kreisen - wird das Zweite Vatikanische Konzil als Ursprung der Krise der Kirche angesehen, so als ob das Konzil von einem "unbeschwerten" Optimismus geprägt gewesen wäre, der typisch für die sechziger Jahre war, die Jahre des Tauwetters, des Wirtschaftsbooms, der 68er Jahre. Daher wird als Weg in die Zukunft eine Rückkehr in die Vergangenheit vorgeschlagen, eine Wiederherstellung dessen, was man sich als die Kirche von gestern vorstellt. Um einen Ausdruck von Giuseppe Verdi zu verwenden: "Kehren wir in die Vergangenheit zurück, und es wird ein Fortschritt sein." Die Geschichte dieser sechzig Jahre soll zu einem großen Teil aus Irrtümern, Naivität und einem Übermaß an Gewissheiten bestanden haben... Eine Krise, die durch das Konzil ausgelöst wurde, mit den Veränderungen, dem Anthropozentrismus, der Liturgiereform, dem Ende vieler Gewohnheiten und so weiter. Nur eine Legende als Frucht der Angst schlägt vereinfachte Lösungen vor. Sie erfindet eine mythische Vergangenheit.
In Wirklichkeit weiß der Historiker, dass die Kirche bereits nach dem Zweiten Weltkrieg deutliche Anzeichen einer Krise aufwies. Der Erzbischof von Paris, Kardinal Suhard, machte sich die Ergebnisse einer schockierenden Untersuchung zu eigen: "Frankreich, Land der Mission". Die Welt der Arbeiterschaft war völlig entchristlicht, so die Erfahrung der Arbeiterpriester. Im September 1958 erklärte Erzbischof Montini mit großer Klarheit: "Wir müssen erkennen, dass ein großer Teil unserer Gläubigen Ungläubige sind; dass die Zahl der Fernstehenden die der Nahstehenden übersteigt...".
Auch in Italien begann - noch vor dem Konzil - eine Krise der Priesterberufungen, die sicherlich noch nicht so sichtbar war, da es zu dieser Zeit viele Kleriker und Ordensleute gab. Es ließen sich noch weitere Krisenzeichen aneinanderreihen, die zeigen, dass die Probleme schon lange vor dem Zweiten Vatikanum begannen. Die Kirche lebte in einer ausgesprochen pluralen Welt, ignorierte aber die anderen, weil sie sich einsam fühlte und von einem Gefühl der Belagerung erfüllt war.
Von den katholischen Staaten, die in den 1950er Jahren als Vorbild galten, waren nur noch wenige übrig: Francos Spanien und Salazars Portugal, die jedoch als Überbleibsel der Vergangenheit erschienen. Katholiken wurde davon abgeraten, eine Synagoge oder ein nicht-katholisches Gotteshaus zu betreten. Dennoch teilten sie das tägliche Leben mit anderen Nichtkatholiken (Angehörige anderer Religionen, Christen, Laien, Nichtgläubige), aber aus religiöser Sicht gab es eine Mauer. Andere wurden aufgrund ihres Andersseins als feindlich angesehen. Ihnen gegenüber musste man Vorsicht und Gleichgültigkeit walten lassen.
Dies war die Frucht einer jahrhundertelangen Geschichte von Spaltungen und Polemik, die auf einer Logik der Kontrolle der Gläubigen beruhte. Aber diese Geschichte war vorbei. Sie war jedoch immer noch der Alltag, weil ein neuer Blick auf die Wirklichkeit fehlte.
In der Eröffnungsrede des Zweiten Vatikanischen Konzils, Gaudet mater Ecclesia, hat Johannes XXIII., der Vater des Konzils, sofort einen heiteren Blick auf die Welt geworfen und sich energisch von den "Unheilspropheten" distanziert: "Sie meinen nämlich, in den heutigen Verhältnissen der menschlichen Gesellschaft nur Untergang und Unheil zu erkennen... Sie benehmen sich so, als hätten sie nichts aus der Geschichte gelernt, die eine Lehrmeisterin des Lebens ist, und als sei in den Zeiten früherer Konzilien, was die christliche Lehre, die Sitten und die Freiheit der Kirche betrifft, alles sauber und recht, zugegangen." Papst Johannes spielte eine Rolle in der sehr ernsten Krise in Kuba und verkündete mit der Enzyklika Pacem in Terris eine Friedensbotschaft. Nach vielen Jahren im Exil und in der Verbannung war die Kirche erneut die Protagonistin der Friedensbotschaft des Evangeliums geworden.
Das Vorwort von Gaudium et spes zeigt, wie die Kirche in der Welt von heute leben will. Nicht eine kniende und über sich gebeugte Kirche, wie sie von Nostalgikern oder Ängstlichen karikiert wird. Diesen Personen schenkt die Rückwärtsgewandtheit Sicherheit. Die Konstitution über die Kirche in der Welt von heute beginnt mit Worten, die immer noch zum Nachdenken anregen: "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände." Wie kann man, wenn man diese Worte liest, sagen, dass das Konzil überholt ist? Wie kann man sagen, dass es die Ursache für die Probleme der Kirche bildet? Auch heute noch beschreiben diese Worte die Art und Weise, wie Christen in der gemeinsamen Geschichte leben.
Das Zweite Vatikanum hat ein neues Wort in das Lehramt eingeführt: Geschichte. Pater Chenu, ein großer konziliarer Theologe, hat festgestellt, dass das Wort historia nicht weniger als 63mal in den Konzilsdokumenten auftaucht. Die Christen leben in der Geschichte aller, nicht im Exil oder losgelöst von den anderen. Das ist der normale Zustand, wie es von Anfang an war. Seit dem Konzil ist die Kirche Teil der Geschichte, zum Beispiel der Länder, die vom kolonialen Joch befreit wurden, indem sie neue Gemeinschaften gründete, die den neuen Staaten freundlich gesinnt waren. Sie hat eine intensive Geschichte der Nächstenliebe mit Leben erfüllt, die immer mehr die Armen in den Mittelpunkt stellt, bis hin zum Höhepunkt der Botschaft von Papst Franziskus. Sie hat Wege für den Dialog mit anderen christlichen Gemeinschaften und mit den verschiedenen Religionen eröffnet. Der Dialog ist zum Modus der Begegnung, der Kommunikation des Evangeliums und des gemeinsamen Lebens geworden. Die Kirche wurde zum wichtigen Akteur des Übergangs zur Freiheit in Osteuropa, angefangen mit Polen, aber auch des Übergangs zur Demokratie in vielen afrikanischen Ländern. Ich möchte nicht die Ereignisse eines halben Jahrhunderts zusammenfassen, sondern die Realität einer Kirche aufzeigen, die ein Freund des Menschen ist, inmitten der Geschichte, ein Kind des Konzils. Bestand die Notwendigkeit zur Flucht, um sich vor einer möglichen Krise zu schützen?
Das Konzil war der Ursprung der Wiederentdeckung des Primats des Wortes Gottes, das eine lebendige Dynamik unter den Christen ausgelöst hat, sowohl im Hören als auch in der Erneuerung der Spiritualität, aber auch in einer offenen und verständnisvollen Weitergabe des Evangeliums. Es ist ein Erbe, das keine Angst vor der Zukunft machen muss. Ich möchte vor allem den "Geist des Konzils" hervorheben. Es ist ein "neues Pfingsten", von dem Papst Johannes sprach. Das haben wir nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erlebt, einer Zeit, die nicht nur von Schwierigkeiten geprägt war, sondern auch von der Begeisterung für das Evangelium und das Leben des Geistes. Der Engländer Ronald Knox hat vor einigen Jahren in einem schönen Buch über die Geschichte der religiösen Begeisterung geschrieben: "Der Mensch lebt nicht ohne Visionen... Wer sich mit der Monotonie, mit der Mittelmäßigkeit, mit der Vergänglichkeit der Dinge begnügt, dem wird nicht verziehen."
Das Vermächtnis des Konzils ist nicht das einer triumphierenden und distanzierten Kirche (hinter der sich Angst verbirgt), sondern das einer Kirche, die von Begeisterung erfüllt ist. Sie ist spürbar in den Worten von Paul VI., dem wahren Architekten des Zweiten Vatikanischen Konzils: "Eine ungeheure Sympathie durchdrang es (das Konzil)... Wenn ihr modernen Humanisten, die ihr der Transzendenz des Höchsten abschwört, ihm wenigstens das zugesteht, werdet ihr unseren neuen Humanismus erkennen: Auch wir, mehr als alle anderen, sind die Förderer des Menschen".
In dieser schwierigen Zeit ermutigt uns das Vermächtnis des Konzils, keine Angst zu haben, sondern mit der Begeisterung derer zu leben, die im Evangelium ein großes Licht finden, das die Zukunft erhellt.
Übersetzung der Redaktion
[Andrea Riccardi]