Papst Franziskus hat am 9. Januar das beim Heiligen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps empfangen. Das Treffen zu Beginn des Jahres, das nicht nur im Vatikan, sondern in vielen Staaten Tradition hat, war keine bloße Zeremonie, sondern warf eine grundlegende Frage auf: Was ist der Zweck der Diplomatie in der heutigen Welt? Eine institutionelle Funktion mit einer so alten Geschichte findet immer ihre Berechtigung, doch die Seele dieses Dienstes, der Länder, Regierungen und Kulturen verbindet, ist in den letzten Jahren sehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Denn der Dialog wurde totgeschlagen. Der Papst sagte: "Der biblische Bericht über den Turmbau zu Babel zeigt, was passiert, wenn jeder nur 'seine eigene Sprache' spricht". Er fuhr fort, dass die internationalen Institutionen "nicht mehr in der Lage zu sein scheinen, Frieden und Stabilität zu garantieren": Es ist für alle sichtbar, aber es ist sehr traurig. Denn ihre Dekadenz bedeutet, dass es kein gemeinsames Bewusstsein für das gemeinsame Schicksal der Völker und der Menschheit mehr gibt.
Was nützt die Diplomatie? Die des Vatikans und des Heiligen Stuhls, der keine wirtschaftlichen oder territorialen Interessen zu vertreten hat? Diese Diplomatie befasst sich nicht nur mit den Ereignissen der Welt (die der Papst in seiner Rede erwähnt), sondern auch mit dem Gemeinwohl der Menschheit: im Allgemeinen - man denke an die Ökologie - oder auf bestimmten, oft dramatischen Schauplätzen wie den Kriegen. Ihre Instrumente sind der Dialog und die Begegnung. Instrumente, die in der aktuellen Zeit wenig genutzt werden. Franziskus hat einmal gesagt: "Die Welt erstickt ohne Dialog".
Aber wenn diese unsere Zeit der "Stärke" und der "Starken" keine Wende nimmt, werden wir in eine spannungsgeladene konfliktreiche Welt abgleiten mit vielen Kriegen: "Krieg ist immer ein Misserfolg! - wiederholt der Papst und erklärt, dass man es nicht hingenehmen darf, dass die Zivilbevölkerung bombardiert wird oder dass Kinder erfrieren, weil die Krankenhäuser oder das Energienetz eines Landes zerstört wurden.
Franziskus bekräftigt, dass wir die Unmenschlichkeit so vieler Kriegssituationen und die gewalttätige Sprache in der internationalen Politik überwinden müssen: Ohne Diplomatie, d.h. ohne Dialog und Begegnung, kann dieser Wandel nicht stattfinden. Und er selbst, die vatikanische Diplomatie, der Heilige Stuhl und die Kirche bemühen sich direkt, formell und informell, um einen Durchbruch zu erzielen. Das ist die grundlegende Entscheidung der Kirche von Rom. Paul VI. hat dies im Zentrum des Zweiten Vatikanischen Konzils mit der Enzyklika "Ecclesiam suam" bekräftigt, die sicherlich programmatisch für ein Pontifikat war, aber viel mehr noch für die damalige Zeit der Kirche, in der wir uns aber immer noch befinden und die so viele Früchte der interreligiösen und menschlichen Begegnung hervorgebracht hat. Der Dialog ist kein Beiwerk, sondern Teil der Sendung der Kirche und ihrer Art, in der Welt zu leben: "Die Kirche wird zum Wort, die Kirche wird zur Botschaft, die Kirche wird zum Gespräch" - sagte Papst Montini mit großer Klarheit.
Die Kirche wird zum Wort und lebt das Gespräch und den Dialog in allen Aspekten ihrer Existenz und Sendung. Der Appell des Papstes ist kein großmütiger Beitrag eines Christen, der für den Schmerz der Welt und die düstere Zukunft empfänglicih ist, auf die die Menschheit zusteuert. Er geht aus dem tiefen Leben des Gottesvolkes und den Fasern der Kirche hervor. Die Kirche lässt sich nicht zum Schweigen bringen, weder durch Verfolgung (und der Papst erwähnt einige Situationen), noch durch die Arroganz der Kommunikationsmachthaber oder der politisch-militärischen Mächte. Wir sehen dies in der Frage der Migranten und Flüchtlinge. Während eine Politik der Abschottung vorherrscht, ertönt die Stimme des Papstes: "Mit großer Entmutigung stelle ich fest, ... dass die Migrationen immer noch von einer dunklen Wolke des Misstrauens bedeckt sind, anstatt als Quelle des Wachstums betrachtet zu werden". Dieser aufrichtige Appell ist nicht zu überhören.
Die Schwäche des Wortes ist die tägliche Kraft der Kirche, die die Mauern des Hasses und der Gleichgültigkeit zersetzt. Ein Wort der Wahrheit (Franziskus spricht von der "Diplomatie der Wahrheit"), der religiösen Wahrheit natürlich, aber auch ein Hinweis auf die reale Situation der Männer und Frauen, der Völker: "Wo die Verbindung zwischen Realität, Wahrheit und Wissen fehlt, kann die Menschheit nicht mehr miteinander sprechen...".
In ihrer Erfahrung mit der Menschheit und in ihrer langen Geschichte glaubt die Kirche an die Diplomatie, denn sie glaubt an das Gespräch miteinander, an die Begegnung, an die Verhandlung, an das Zusammenkommen. Deshalb hat Papst Franziskus in deutlicher Anspielung auf das Grundthema des Heiligen Jahres von der "Diplomatie der Hoffnung" gesprochen. Die Diplomatie kann auf den Durst nach Hoffnung auf Frieden antworten, der in den Völkern vorhanden ist und den die Kirche als ein tiefes Bedürfnis der Menschen wahrnimmt, besonders wenn sie unter den Folgen des Krieges leiden oder der Sklaverei der Armut ausgesetzt sind: ein Durst nach Hoffnung angesichts einer dunklen Zukunft. Der Durst nach Hoffnung kann und muss ein Engagement für den Dialog zwischen den Machthabern in Gang setzen.
Wer sich nach Frieden sehnt, darf sich nicht mit der gegenwärtigen Situation abfinden. Was wir brauchen, ist ein neuer Wagemut, Frieden durch Dialog zu schaffen und zu fordern - ich denke dabei an starke Zivilgesellschaften - dass in dieser Richtung gehandelt wird. Dies ist eine Ermutigung für alle, die sich mit dem Thema der Beziehungen zwischen den Völkern beschäftigt sind, aber auch eine Aufforderung an alle, damit sie nicht resignieren und sich den schreienden und anmaßenden Gründen der Gewalt mit ihrem Gefolge von Mystifikationen und Schmerzen beugen.
[Andrea Riccardi]
(Übersetzung der Redaktion)