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Buchvorstellung Andrea Riccardi "Die Kirche brennt" stellt sich der Frage nach der Zukunft der Kirche und des Christentums

Die Gemeinschaft Sant‘Egidio hat das jetzt auf Deutsch erschienene Buch von Andrea Riccardi "Die Kirche brennt. Krise und Zukunft des Christentums" vorgestellt. Riccardi, Professor für Geschichte, von 2011 bis 2013 italienischer Minister für „Internationale Zusammenarbeit und Integration“ und Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio, beschäftigt sich ausgehend vom Feuer in der Kathedrale Notre-Dame in Paris mit der Krise und Lage der Kirche und des Christentums in Europa. Als Experte für Geschichte der Kirche und der Religionen ist er international auch durch zahlreiche Publikationen als gefragter Gesprächspartner bekannt geworden, darauf wies Pfarrerin Angelika Wagner in der Einleitung hin, die den Abend moderierte. 

Bundesministerin a.D. Schavan nahm die Krise des Zusammenlebens in der Kirche und in Europa mit den  Tendenzen des Nationalismus in den Blick, während sich immer weniger Menschen mit einer Religion identifizierten. Die anthropoligische Wende der 68er Jahre, auch die Entstehungszeit von Sant'Egidio, habe die Lage der Kirchen massiv verändert. Sie nahm Bezug auf die im Buch hervorgehobene politische Bedeutung des Pontifikats von Johannes Paul II. und die große gesellschaftliche Relevanz, die er der Kirche verliehen hat. „Fromm sein und politisch sein gehören zusammen“, betonte Schavan. Viel Applaus bekam sie zudem für die Feststellung: „Es ist nicht so richtig faszinierend für die Menschen, Leute zu erleben, die immer nur am Rückbauen sind.“ Es gehe darum, die offenen Zukunftsfragen anzugehen und sich nicht zurückzuziehen, vor allem auch was die Rolle der Frau betrifft.

Bischof Jung lobte den weiten Blick von Riccardi und deutete das Bild von der brennenden Kirche um auf das Feuer des Heiligen Geistes, hier könne man auch eine neue Geschichte als Antwort auf die vielen Krisenphänomene schreiben. Er wies auf die wichtige Aussage Riccardis hin, dass der Traditionalismus als Flucht in die Vergangenheit anzusehen seit. Das Plädoyer von Benedikt XVI. für „kreative Minderheiten“ sei aber für den Autor auch keine Lösung. In den Vorschlägen für die Zukunft des Christentums entdecke Bischof Jung viele Erfahrungen von Sant'Egidio. Sehr interessant sei seiner Meinung nach das Wort vom "agonischen Christentum" im Sinne eines kämpfenden Christentums, das sich für die Anliegen der Welt einsetzt.

Für Bischof em. Dröge, der von 2009 bis 2019 die Evangelische Kirche Berlin-Brandburg-schlesische ist „Die Kirche brennt“ „spannend zu lesen wie ein Krimi“. Es sei in erster Linie eine Analyse der römisch-katholischen Kirche, das sicher auch für die evangelische Kirche fortgeschrieben werden könne, da es ähnliche Entwicklungen gebe. Dröge ermunterte, Koalitionen mit Menschen zu suchen, die christliche Werte leben, ohne diese so zu nennen. Beeindruckt habe ihn die Darstellung des Rücktritts von Papst Benedikt XVI., da dies ein vollkommen neues Amtsverständnis auftue, das eine Brücke zum evangelischen Verständnis und daher von ökumenischer Bedeutung sei.

Pfarrer Leineweber hob hervor, dass das Buch trotz der zahlreich dargestellten Krisenpunkte kein Ausdruck von Klage, sondern von einer realistischen Sicht sei. Der Blick auf die Geschichte zeige, dass die Kirche zu jeder Epoche zu kämpfen gehabt, wie in den Diktaturen des Nationalsozialisten oder des Kommunismus. Heute gehe es um die Frage, wie das Evangelium in die Gegenwart übersetzt werden könne. Die Eucharistie sei dazu ein zentraler Moment, auf den das Buch hinweise, wie auch die Bedeutung einer Kirche der Armen, in der die Armen Vollmitglieder der Kirche und Träger der Evangelisierung sind.

Andrea Riccardi: „Die Kirche brennt: Krise und Zukunft des Christentums“.Echter-Verlag, Würzburg 2023, 288 Seiten, 19,90 Euro, ISBN‎ 978-3429057053.