Zum wiederholten Mal ist ein Boot mit Flüchtlingen kurz nach der Abfahrt von der Türkei auf dem Weg nach Griechenland in der stürmischen See untergegangen, auch weil es völlig von den Schleppern unzureichend ausgestattet war. Schon 100 Meter von der Küste entfernt fiel der Motor aus, das Boot trieb 8 Stunden auf der See und ging dann unter. Die Retter konnten nur wenige Insassen lebend bergen. Unter den Opfern sind vor allem Mütter mit ihren kleinen Kindern, das jüngste Baby war erst 6 Monate alt. Amina kam mit ihren vier Kindern und Hedia mit ihren drei Kindern ums Leben.
Viele der Opfer sind Angehörige von Geflüchteten, die von Sant'Egidio in Würzburg aufgenommen und bei der Integration begleitet wurden durch Sprachkurse und Unterstützung bei der Arbeitsvermittlung. Sie nehmen an den sozialen Diensten der Gemeinschaft teil, wie den Besuchen von einsamen alten Menschen und den Weihnachtsfesten für die Armen und Obdachlosen. Sie sind Kurden aus der Region von Qamishli an der Grenzen zur Türkei, ihre Angehörigen hatten bis vor kurzem in der Heimat ausgeharrt, mussten durch die neu aufflammenden Konflikte und Bombardierungen der letzten Monate nun doch ihre zerstörten Häuser verlassen. Sie sind überwiegend Muslime. Im Gebet wurde an das Leid der Flüchtlinge erinnert, aber auch an die Gleichgültigkeit weiter Teile im reichen Europa und die abgeschotteten Grenzen, durch die solche Tragödien immer noch geschehen. Die muslimischen Freunde bedankten sich herzlich für die Anteilnahme und die Möglichkeit, in dem Gebet ihrer Lieben zu gedenken. Es ist ein Zeichen für die Freundschaft, die alle Grenzen überwindet und besonders in so schweren Zeiten wie solchen schrecklichen Ereignissen Trost und Halt geben.
Homilie von Pfarrer Matthias Leineweber:
Mk 4,35-41
Liebe Freunde,
wir sind heute von tiefer Trauer erfüllt, unsere Herzen sind voller Schmerz über die tragischen Ereignisse, die in diesen Tagen im Mittelmeer vor der Küste Griechenland geschehen sind. Ich grüße die Familie Isa und alle Freunde aus Syrien und anderen Ländern. Zum wiederholten Male ist ein Boot mit vielen Flüchtlingen untergegangen, vor allem sind Kinder unter den Opfern. Es ist wirklich eine Tragödie, denn die Gleichgültigkeit unserer reichen Welt gegenüber dem Flüchtlingsdrama ist sehr groß. Es ist eine Schande für unseren Kontinent, der im Überfluss lebt und sich vor dem Leid der Flüchtlinge vor Krieg und Gewalt abschottet. Wenn bei den Royals Meinungsverschiedenheiten bestehen, sind die Schlagzeilen voll, aber ein armes Flüchtlingskind löst keine Gefühlsregung aus. Das ist auch ein schlimmer Indikator für den Zustand unserer Gesellschaft.
Wir sind heute hier, um diese Gleichgültigkeit zu durchbrechen, wir tun es mit dem, was wir können, nämlich dem Gebet. Heute sind wir Muslime und Christen zusammen, denn der Vater, der Barmherzige, wie er auch im Koran bezeichnet wird, gepriesen sei sein Name, verbindet uns als seine Kinder und Geschöpfe, die aufgerufen sind, die Barmherzigkeit zu leben, in der er uns alle geschaffen hat. Wir möchten mit unserem Gebet sagen: „Wir wollen das Drama der Flüchtlinge nicht vergessen, eure Namen und Geschichten sind in unserem Herzen und im Herzen Gottes.“ Wir wollen nicht schlafen in der Selbstzufriedenheit. Wir hören den Schrei der Kinder, Frauen und Männer auf den Schiffen im Mittelmeer und den verzweifelten Wegen der Flucht, sie wie die Jünger im Boot schrien, als der Sturm es in Gefahr brachte, sodass sie fast untergingen. Die Schreie haben einen Inhalt: „Hilf mir bitte, rette mich!“ Sie erklingen in verschiedenen Sprachen: Arabisch, Paschtun, Dari, Farsi, Tigrinya, Somali, Urdu und andere. Oft finden sie kein Gehör, oft ist es die verzweifelte Frage wie wir sie heute in der Bibelstelle gehört haben: „Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?“ Es ist die Frage nach Gott: Wo bist du? Warum hilft du uns nicht? Warum bereitest du dem Krieg kein Ende, der das geliebte Syrien schon seit fast neun Jahren zerstört und vernichtet?“ Doch Gott ist da, er hört den Schrei. Wir glauben an Gott, der den Menschen im Leid nicht verlässt.
Deshalb muss die Frage lauten: Mensch, wo bist du? Warum zerstörst du meine schöne Erde, das schöne Land Syrien? Warum machst du Millionen Menschen aus Syrien zu Flüchtlingen, die nicht mehr unter den Bomben und in den zerstörten Städten leben können und hilfst ihnen dann nicht? Interessiert dich der Mitmensch überhaupt? Das sind wichtige Fragen, die wir uns heute Abend stellen. Es sind ganz menschliche Fragen und auch religiöse Fragen. Denn als Kinder Gottes sind wir alle Schwestern und Brüder, wir sind eine Familie, nicht zwei! Auch wir als Christen und Muslime sind eine Familie nicht zwei, unser gemeinsamer Urvater ist Abraham und wir alle kommen von dem einen Gott!
Papst Paul VI., ein großer Papst der katholischen Kirche hat gesagt: ‚Für die katholische Kirche ist niemand fremd, niemand ausgeschlossen, niemand fern’ (Predigt zum Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, 8. Dezember 1965). Wir sind in der Tat eine einzige Menschheitsfamilie, die in der Vielfalt ihrer Unterschiede auf die Einheit zugeht, indem sie die Solidarität und den Dialog zwischen den Völkern fördert. In der Gemeinschaft Sant’Egidio sind wir eine Familie über die Grenzen der Kultur, Sprache und Religion hinweg. Im Mittelpunkt stehen die Armen und Leidenden. Wir müssen in der Freundschaft wachsen, um ein großes Netzwerk aufzubauen, damit sich solche Dramen nicht wiederholen, damit die Kriege ein Ende finden. Heute haben wir die schöne Nachricht gehört vom Waffenstillstand aller Gruppen im Südsudan, der in Sant’Egidio in Rom vereinbart wurde. Danken wir Gott für diesen wichtigen Schritt. Und wir vertrauen die Opfer dem Gott und seiner Barmherzigkeit an, auch wenn wir nicht alle Namen kennen. Doch Gott kennt alle Namen. Sie sind im Wasser versunken, aber sie sind nicht im Abgrund des Todes versunken. Gott hat sie herausgezogen aus dem Tod, er hat sie in seine Arme genommen und ins Paradies geführt, wo alle vereint sind und wo es keine Trennungen mehr unter den Menschen gibt.
Im Evangelium stellt Jesus eine Frage: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ Heute in diesem Gebet befreit uns Gott von der Angst, sein Wort schenkt unserem Herzen Frieden und versetzt uns in Staunen, weil es so machtvoll ist, weil es den Sturm der Welt stillt. Jesus kann ein neues Klima schaffen, indem er unsere Herzen von der Angst befreit und uns gastfreundlich, aufmerksam, großzügig und solidarisch macht. Bitten wir den Herrn, dass wir mit ihm eine neue Friedensbewegung aufbauen, damit überall auf der Welt keiner mehr in seiner Not allein gelassen wird und alle Gewalt, aller Krieg und Hass bald ein Ende finden.