Interview mit Marco Impagliazzo: Papst Franziskus, Mut zum Frieden

Die Aufgabe der Religionsführer besteht im Gebet für den Frieden und nicht für den Sieg

 

Impagliazzo: Großer Mut des Papstes. Das Schicksal des Krieges befindet sich in Moskau

Der Präsident der Gemeinschaft Sant'Egidio: die Bereitschaft, den russischen Präsidenten zu besuchen ist auch Realismus. Frieden beginnt, wenn jemand Putin überzeugen wird, die Feindseligkeiten einzustellen

"Die Worte des Papstes stammen von einem Mann, der tief unter der Katastrophe des Krieges, den Toten, der Zerstörung eines Landes und der Vertreibung von Millionen von Flüchtlingen leidet. Und es sind auch die Worte eines Mannes, der nichts anderes tut, als Frieden zu suchen". So liest Marco Impagliazzo das Interview von Franziskus mit dem Corriere della Sera. Der Präsident der Gemeinschaft Sant'Egidio zeigt sich "sehr beeindruckt" von der an Putin gerichteten Anfrage nach einem Treffen. Ein Akt "von großem Mut, viel Großzügigkeit und auch großem Realismus".
Würden Sie bitte erklären, in welchem Sinne?
Das Schicksal dieses Krieges liegt in Moskau, und deshalb müssen wir dorthin gehen, um Putins Herz zu berühren, damit er dieses Massaker beendet. Großer Mut und viel Großzügigkeit also, weil der Papst sich persönlich als Mann des Friedens zu erkennen gibt. Und auch des Realismus, denn der Frieden wird dann beginnen, wenn jemand Putin davon überzeugt, die Feindseligkeiten einzustellen.
Ist es möglich, Putin nach der Absage des Treffens mit Patriarch Kyrill zu treffen?
Dem Papst liegen bekanntlich die ökumenischen Beziehungen sehr am Herzen, aber wie das Interview zeigt, war er von Kyrills Haltung zu diesem Krieg beeindruckt. Daher ist der Vorschlag, sich direkt an Putin zu wenden, auch eine Möglichkeit, die russisch-orthodoxe Kirche aus einer übermäßigen Abhängigkeit von der politischen Logik des Kremls zu "befreien". Es liegt auf der Hand, dass sich die Kirchen in der orthodoxen Welt viel stärker mit dem Staat identifizieren als die katholische Kirche, die universal ist. Aber Rom hat das Primat der Liebe unter den Kirchen inne, und der Papst übt dieses Primat der Liebe auch aus, indem er den Patriarchen von Moskau auffordert, den Weg des Friedens einzuschlagen.
Was ist also die Aufgabe der religiösen Führer?
Für den Frieden zu beten und nicht für den Sieg. Stattdessen sind die Christen in der Ukraine und in Russland heute in gewissem Sinne gezwungen, für den Sieg zu beten. Der Papst möchte dieses Muster umkehren.
Ist es in diesem Sinne, dass er auf den Rat von Kardinal Krajewski bezüglich des Kreuzwegs im Kolosseum gehört hat?
Der Papst ist ein Mann des Zuhörens. Und so zeigt die Tatsache, dass er gewissermaßen auf den Vorschlag eines seiner Sondergesandten in diesen Bereichen gehört hat, dass es keine ideologischen Positionen zu verteidigen gilt, sondern das große Gut des Friedens bewahrt werden muss. Auch der Papst hört zu. Es ist ein Zeichen von Demut und großer Weisheit.
Was ist nun von Putin zu erwarten?
Putin wollte nicht auf den Papst hören, was den Waffenstillstand betrifft. Und das ist sicherlich ein negativer Punkt. Ich hoffe, dass er zumindest die Höflichkeit und den Respekt aufbringt, seine Bitte um ein Treffen anzunehmen. Schließlich will Franziskus nichts weiter, als dass er ihm seine Meinung sagen kann. Ich denke, es wäre sehr wichtig für Putin, die Stimme des Papstes zu hören.
Könnte diese Geste ein Anreiz für internationale Organisationen sein, mehr für die Beendigung des Konflikts zu tun?
Der Papst ist kein politischer Führer, sondern eine geistliche Persönlichkeit. Aber er kann der Politik einen Weg eröffnen, sich endlich in Richtung Frieden und Wiederaufbau der Ukraine zu bewegen. Erinnern wir uns daran, dass Putin kürzlich den UN-Generalsekretär empfangen hat und danach ein kleiner humanitärer Korridor möglich war. Ich hoffe, dass die Initiative von Papst Franziskus ein Impuls für die internationale Gemeinschaft und insbesondere für die UNO sein wird.
Wie kann man den Papst in dieser Situation begleiten?
Das Gebet um Frieden, das er von uns verlangt, ist sehr wichtig. Statt uns in pro-ukrainisch und pro-russisch aufzuteilen, müssen wir uns im Gebet und in der Solidarität mit dem ukrainischen Volk vereinen.

[ Mimmo Muolo]