"Seltsamer" Urlaub von Freiwilligen. Auf Lesbos mit Sant'Egidio

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25. August 2020

"Seltsamer" Urlaub von Freiwilligen.

Entscheidung zur Hilfe für Flüchtlinge, die auf Lesbos noch auf eine Aufenthaltsgenehmigung warten

Es gibt nicht nur das Europa, das die Grenzen mit Stacheldraht und Motorbooten versiegelt. Es gibt auch ein anderes, das nicht in den sozialen Medien lästert und lauthals ethnische Parolen verbreitet. Es hat das Gesicht von ehrlichen Jugendlichen, von jungen oder älteren Frauen und Männern, von Familien mit Kindern und Enkeln. Viele Italiener, aber auch Ungarn, Polen, Slowaken. Dann Deutsche, Spanier, Franzosen. Es sind die Freiwilligen der Gemeinschaft Sant'Egidio, die ihre Ferien in dieser Bastion der "Festung Europa" verbringen wollen, zu der die griechische Insel Lesbos wenige Kilometer von der Türkei entfernt geworden ist. Dort sind Verzweifelte aus Afghanistan, Syrien, dem Iran oder dem subsaharianischen Afrika gestrandet. Bei den europäischen Freiwilligen sind auch Syrer und Kurden, die vor einigen Jahren mit den humanitären Korridoren nach Europa gekommen sind. In diesen Tagen verbringen ca. 150 Freiwillige eine oder mehr Wochen ganz auf eigene Kosten auf der griechischen Insel, auf der neben den 23.000 Einwohnern fast genausoviele Migranten gezwungenermaßen leben. "Aktuell sind es 15.900, im Januar waren es jedoch 20.000", erklärt Daniela Pompei, die Verantwortliche der Gemeinschaft Sant'Egidio für die Arbeit mit den Migranten.
Neben dem Flüchtlingslager Moria, mit 2.800 Plätzen, leben 13.000 Menschen und lagern unter den Olivenbäumen. "Es gab viele Probleme beim Zusammenleben, die auch durch griechische Gruppen der Rechten gefördert wurden", erklärt Daniela Pompei. "Wir versuchen, ein anderes Europa zu zeigen. Dieser "Solidaritätsurlaub" war auch Thema in Fernsehsendern und in polnischen Medien zum Beispiel. Es wurde auf andere Weise über die Migranten berichtet." Sant'Egidio hat die Genehmigung von den griechischen Behörden erhalten und verschiedene Aktivitäten organisiert, um denen Hoffnung zu vermitteln, die Monate oder bei Widerspruchsverfahren sogar Jahre dort verbringen müssen, bis sie eine Antwort auf den Asylantrag erhalten, der die Türen Europas öffnen könnte. Es wurde sehr auf die Prävention von Covid-19 geachtet, alle Freiwilligen wurden vor und nach der Reise getestet, Masken wurden verwendet, der Abstand eingehalten.
 

«Die Asylbewerber wissen hier nicht, wie sie die Zeit verbringen sollen. Das größte Problem von Lesbos ist, dass man meint, hier in Europa angekommen zu sein, dem Kontinent der Rechte", führt die Verantwortliche von Sant'Egidio aus, "doch man auf dieser Insel wie im Fegefeuer und in einer Art Ghetto gefangen. Hier verliert man die Hoffnung, mit der unvorstellbare Prüfungen durchstanden worden sind. Es droht die kollektive Depression. Es hat sogar schon Suizide von unbegleiteten Jugendlichen gegeben."
Posiitv war die Reaktion auf die Vorschläge der Freiwilligen. Es gab das "Solidaritätsrestaurent" in einer alten Olilvenpresse in der Nähe des Meeres, die von den Freiwilligen hergerichtet wurde: bei der Einweihung gab es ein Abendessen für 350 Personen - mit zwei Meter Abstand zwischen den Tischen - es wurde Lamm serviert für Afghanen (sie sind 78%), Iraner und Syrer. Andere Male gab es Reis mit Curry-Hähnchen, Gemüse und Eis. Vormittags findet dort die Englischschule für ca. einhundert Personen im Alter von 8 bis 42 Jahren statt. Nachmittags wird für die Kinder die "Schule des Friedens" angeboten, sie lernen gern auf den Bänken mit Heften und Stiften und fern von den Zelten neben den Jauchebächen, wo sie leben
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Ca. 1.200 Flüchtlinge werden erreicht. Daniela Pompei berichtet von der Erfahrung mit der kleinen katholischen Gemeinde von Lesbos: "Der kleine Sonntagsgottesdienst wurde bereichert durch viele katholische Flüchtlinge aus Afrika. Nach dem Messe haben alle gemeinsam zu Mittag gegessen. Dann gibt es auch schöne Beziehungen zur orthodoxen Kirche».
Es gibt einige ganz besondere Freiwillige. Zum Beispiel der syrische Junge, der aus Würzburg gekommen ist. Oder der Kurde aus Berlin. Oder Dawud, Afghane, und Mafhoud, Syrer, die aus Italien gekommen sind, wo sie Dank der humanitären Korridore leben, die Flüchtlinge aus einem anderen Fegefeuer, das sich im Libanon befindet. Daniela Pompei erzählt: "Mafhoud lebt in Rom und arbeitet in der Stadtmitte in einem großen Einkaufzentrum. Er wollte gern etwas zurückgeben von dem, was ihm geschenkt wurde. Wie die anderen hat er die Kosten selbst getragen». Die humanitären Korridore, sagt Pompei, sind die Lösung: "Wir müssen es schaffen, die humanitären Korridore nach Europa einzurichten. In Deutschland und Frankreich arbeiten wir schon daran. In Polen gibt es Familien, die bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen. Heute zeigen wir ein anderes Europa, das gastfreundlich und solidarisch ist.  Morgen werden wir es schaffen, dass alle hier von Lesbos wegkommen", betont die Migrationsverantwortliche von Sant'Egidio. "Die Hoffnung muss für diese Menschen auf der Flucht vor der Verzweiflung wieder mit Leben erfüllt werden."

[ Luca Liverani]

 

Bericht bei TV Touring