Diese Korridore retten Leben aus dem Meer

Im Flugzeug statt im Boot, sofort als Flüchtlinge aufgenommen. Ein von Sant’Egidio organisiertes Immigrationsmodell (ohne Kosten für den Staat)

Artikel im 'Corriere della sera'

Sie kommen aus dem Korridor und beginnen eine Normalität, die sie vergessen oder niemals erlebt hatten. 2482 Personen in Italien sind nicht mehr nur Nummern. Es sind eine Frau aus dem Südsudan und ihre 8 Kinder, deren älteste schwanger ist. Es ist das syrische elfmonatige Baby, das in Krankenhaus Bambin Gesù eine Lebertransplantation erhielt, kurz bevor es gestorben wäre. Es ist das Studentenpaar, sie Biologin und er Architekt, die ihre Kräfte in den Dienst des Gastlandes stellen. Oder besser des Landes, das sich auf die Suche nach ihnen gemacht hat in den Hütten, wo die Menschen im Libanon Tag für Tag ihr Leben fristen ohne Erwartungen oder noch schlimmer ein Boot besteigen zur Überquerung des Mittelmeers, um vielleicht den Tod zu finden.

Noor aus Syrien ist jetzt als Forscherin zu Mukoviszidose in einem römischen Krankenhaus tätig. Assan, ihr Mann, benötigt noch drei Prüfungen für den italienischen Universitätsabschluss für Architektur. Kurz nach ihnen kamen der Vater und die Schwester Kamila, eine Archäologin, nach Italien, die gerade die letzten Prüfungen an der Universität in Neapel hat und die Abschlussarbeit schreibt. Ihre Mutter lebt nicht mehr, aber in Rom ist jemand stolz auf ihre Fortschritte, als wäre sie eine Mutter: Daniela Pompei, die Verantwortliche für den Dienst Migration und Integration der Gemeinschaft Sant’Egidio, die jeden Erfolg ihrer kleinen Schützlinge mitverfolgt und sich darüber freut.

Im Sommer 2014 hat eine Gruppe von Rechtsexperten die Untiefen der europäischen Gesetzgebung durchforscht und Artikel 25 des Visakodexes Nr. 810/2009 aufgegraben. Es ist eine vernachlässigte Bestimmung, die Ländern der Union zugesteht, humanitäre Visa „auf begrenztem Territorium“ (nur gültig für das ausstellende Land) auszustellen. Daniela hat verstanden, dass sie ihren Urlaub nicht vergeuden darf. Für Tausende syrische, afghanische, somalische, eritreische, jemenitische oder südsudanesische Flüchtlinge, die nichts davon wussten, hat es sich als einzige legaler und sicherer Weg erwiesen, um die Zelte und Erdbehausungen im Libanon, in Äthiopien oder auf Lesbos in Griechenland zu verlassen, den Endstationen ihrer Flucht vor Krieg und Massakern. Es sind die humanitären Korridore. Eine vom Gesetz geregelte Migration. Sie wurde kürzlich auch von Belgien, Frankreich und Andorra aufgegriffen.

Um zu erhalten, was ihnen jedenfalls zusteht, müssen die Flüchtlinge nicht durch die räuberischen und gewalttätigen Hände von Bootsführern und Menschenhändlern gehen und umgehen die Gefahr, im Mittelmeer zu ertrinken: „Sie kommen mit dem Flug nach Fiumicino und haben ein reguläres Visum für Italien, das vor der Abreise ausgestellt wurde“, betont Daniela Pompei. „Nach der Ankunft beantragen sie politisches Asyl bei der Grenzpolizei und in wenigen Monaten wird ihr Status festgelegt. 98,8% erhalten den Flüchtlingsstatus von den entsprechenden Behörden.“

Noch einige Zahlen. Nach den Daten von Sant’Egidio sind 92% der aufgenommenen Flüchtlinge Familien, 40% sind Kinder. 64% sind Muslime, 33% Christen. Bei 25% wurden Gesundheitsprobleme festgestellt, drei waren so krank, dass sie nicht überlebt haben; aber es wurden auch 15 Kinder geboren und es gab verschiedene Eheschließungen. 94 Kommunen in 17 italienischen Regionen haben sie aufgenommen, besonders Rom und Piemont.

Die staatlichen Kosten betrugen: null.

Die humanitären Korridore von Äthiopien mit der Aufnahme und Integration werden von Spendern von Sant’Egidio und von den Kirchensteuereinnahmen der italienischen Bischofskonferenz finanziert; die aus dem Libanon teilweise von den Kirchensteuereinnahmen der Waldensertafel.

„Der Papst hat den ersten humanitären Korridor von Lesbos aus eingerichtet“, sagt Daniela Pompei. Es war im Frühling 2016, nach der Wertschätzung beim Angelus der Initiative von Sant’Egidio hat der Pontifex Kontakt mit der Gemeinschaft aufgenommen, denn er wollte das Flüchtlingslager auf der griechischen Insel besuchen und wollte einige Familien mitbringen. Daniela fuhr voraus und suchte drei Familien aus, insgesamt 21 Syrer, neun von ihnen stiegen in das Flugzeug des Papstes auf den Rückflug nach Rom am 12. April.

„Dies wurde möglich durch das Abkommen vom Dezember 2015, das alle zwei Jahre erneuert werden kann und mit dem italienischen Innen- und Außenministerium geschlossen wurde nach intensiven Verhandlungen.“

Das Abkommen beinhaltet, dass die Organisatoren der humanitären Korridore „Sponsoren“ oder Garanten für die Aufnahme der Flüchtlinge mindestens bis zur Anerkennung ihres Asylrechts sind.

„Die Mitarbeiter der Ministerien waren anfangs dagegen, doch der Präsident von Sant’Egidio, Marco Impagliazzo, der Moderator der Waldensertafel, Eugenio Bernardini, und der Vorsitzende der Union der Evangelischen Kirchen Italiens haben dem damaligen Außenminister Paolo Gentiloni geschrieben, und die Verhandlungen wurden fortgesetzt“, bis Gentiloni und Angelino Alfano, der damalige Innenminister der Regierung von Matteo Renzi, zugestimmt haben. Daniela Pompei ergänzt: „Wir haben mit der Forderung von zweitausend Visa begonnen, wir haben mit eintausend abgeschlossen. Der erste Flug nach Italien ging im Februar 2016 los.“

Der Einstieg ins Flugzeug war wie der Gewinn beim Lotto für diejenigen, die das Flüchtlingslager Tel Abbas im Norden Libanon verlassen hatten, die Zusammensetzung der Energien für ihre Aufnahme ähnelt einem Wunder: „Nicht nur Verbände und Pfarreien. Es gab Familien und Privatpersonen“, erzählt Daniela, „eine pensionierte Grundschullehrerin hat eine Wohnung in Lucca zur Verfügung gestellt, die sie gekauft hat, da sie jetzt im Süden lebt. Das ist nicht die einzige. Viele Landsleute haben aus ganz Italien angerufen und kostenlos ihre zweite Wohnung zur Verfügung gestellt“. Es befriedigt sie, dass ihr Einsatz unerwartet hohe Ergebnisse erzielt. Fast 400 ihrer Gäste haben schon einen festen Arbeitsplatz, andere machen eine Ausbildung oder engagieren sich ehrenamtlich.

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FOTO CORRIERE DELLA SERA