“Durst nach Frieden”: Der Geist von Assisi kehrt zurück und weht aufs Neue in der Stadt des Heiligen Franziskus.

Die Beiträge bei der Eröffnungsveranstaltung “Religionen und Kulturen im Dialog“

1986-2016: Der Geist von Assisi weht wieder in der Stadt des Heiligen Franziskus dreißig Jahre nach der Verwirklichung der prophetischen Intuition des Heiligen Johannes Paul II., der den großen weltweiten Gebetstag für den Frieden einberief. Er war davon überzeugt, dass die großen Religionen, so wie es Andrea Riccardi heute ins Gedächtnis rief, die Aufgabe haben, „sich der Herausforderung des Friedens in dieser Welt zu stellen“. Dies ist keine „Extravaganz“, fügte der Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio hinzu, kein „isoliertes Ereignis“ oder die “Verrücktheit eines Tages“, sondern eine „Prophetie“, die sofort den Geschmack der Geschichte angenommen hat.

Dreißig Jahre also nach diesem 1986, in denen der Geist von Assisi, so sagte Riccardi, einen Weg zurückgelegt hat, er hat Geschwisterlichkeit geschaffen, er hat Friedensinitiativen hervorgerufen, er hat das Bewusstsein von der Verbundenheit der verschiedenen Religionsgemeinschaften aufkommen lassen und sich der Benutzung der Religionen für Krieg und Terrorismus entgegengestellt“. Ein Weg, den er so erläuterte: es gibt keine Hegemonie, die in der Lage wäre, eine so zersplitterte und komplexe Welt wie diese globale Welt zusammenzuhalten. Es ist schwer, eine weltweite Regierungsführung umzusetzen. Aber doch wird eine globale und ökumenische Vision benötigt: das Bewusstsein, dass wir eine einzige Menschheit bilden“. Der ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomäus I erinnerte seinerseits daran, indem er aus der vor kurzem stattgefunden Synode der Orthodoxen Kirche zitierte, dass "ein ernsthafter interreligiöser Dialog auf bedeutende Weise zur Förderung von gegenseitigem Vertrauen, Frieden und Versöhnung verhilft". „Ein gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Unternehmung, die die ökumenische Antwort auf eine ökumenische Verantwortung sein muss“.

Von heute an bis Dienstag kehrt die Gemeinschaft, die in den vergangenen Jahren die Flamme der Hoffnung übernommen hat, aufs Neue zurück, zusammen mit der Diözese von Assisi und den franziskanischen Familien, um ihrem “Durst nach Frieden” Ausdruck zu verleihen, zusammen mit einer beeindruckenden Anzahl wichtiger Teilnehmer: 511 Vertreter verschiedener religiöser Traditionen, von denen viele aus Krisenregionen wie Syrien, Irak und Nigeria kommen, die gesamte franziskanische Gemeinschaft des Sacro Convento, 12.000 Teilnehmer, mehr als 1.500 Freiwillige für die Organisation, 29 runde Tische über wichtige aktuelle Themen: Europa, Afrika, Naher Osten, Islam, Ökologie, Armut, Ökumene, Dialog, die Rolle der Gläubigen, um die Gewalt und den Terrorismus einzudämmen. Bei der heutigen Eröffnungsfeier war der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella anwesend, der anmerkte: “Der Dialog zwischen den Religionen, den Gläubigen und Humanisten, der kulturelle Dialog kann sehr viel, mehr als es scheint, denn die Auseinandersetzung mit der extremistischen Gewalt ist auch eine kulturelle Auseinandersetzung. Deswegen kann die Kultur den Extremismus besiegen”. Bei der Abschlusszeremonie am Dienstagnachmittag wird Papst Franziskus sprechen, der in der Zwischenzeit seinen Gruß vom Petersplatz geschickt hat: “Dem Beispiel des Heiligen Franziskus folgend, einem Mann des Glaubens und der Milde, sind wir alle gerufen, der Welt ein starkes Zeugnis unseres Einsatzes für den Frieden und die Versöhnung unter den Völkern anzubieten”.

Gerade an diese Lehre von Papst Franziskus knüpfte der polnische Philosoph Zygmunt Bauman an, einer der einflussreichsten Intellelktuellen unserer Zeit, um die „kosmopolitische Dimension“ zu beschreiben, in der wir heute leben, in der „alles eine Auswirkung auf den Planeten, auf die Zukunft und auf die Enkel unserer Enkel hat“, denn „wir alle hängen von einander ab“. Und damit „wir verstehen, wie wir uns integrieren ohne dabei unsere Identität aufzugeben“, ist es nötig – wie Papst Franziskus lehrt - „eine Kultur des Dialogs voranzutreiben, den Fremden, den Migranten, zu achten lernen, Menschen, die es wert sind, dass man ihnen zuzuhört“. Weiters muss man bedenken, dass „die gerechte Verteilung der Güter unserer Erde und der Arbeit nicht reine Nächstenliebe ist, sondern eine moralische Verpflichtung, und man muss von einer liquiden Wirtschaft, in der Korruption praktiziert wird, übergehen zu einer Kultur, in den Zugang zum Land durch Arbeit ermöglicht”. Schließlich muss man “die Kultur des Dialogs ins Zentrum der Bildung stellen, was ein überaus langfristiger Prozess ist, den man mit Geduld, Beständigkeit und Planung durchlaufen muss: eine kulturelle Revolution angesichts einer Welt, in der man schneller alt wird und stirbt, noch bevor man wächst”.

In der Grußbotschaft des UNO-Generalsekretärs Ban Ki-moon, der sich mit Rührung an seinen Besuch in der Gemeinschaft in Trastevere im vergangenen Jahr erinnerte, weist er auf einen “Weg vor uns” hin, um die Herausforderungen unserer Zeit zu überwinden, und sieht ihn in der Methode, in der “Arbeit” der Gemeinschaft Sant’Egidio, die “mit ihrem interreligiösen und interkulturellen Charakter aufs Neue bestätigt, dass nur durch Dialog und Verhandlung nachhaltige Lösungen angesichts von Gewalt gefunden werden können”. Marco Impagliazzo, der Präsident der Gemeinschaft, erinnert in seinem Grußwort an die Gäste der orthodoxen und orientalischen sowie evangelischen Kirchen, die bei der Eucharistiefeier unter dem Vorsitz von Mons. Domenico Sorrentino, Bischof von Assisi, in der Basilica Superiore des Hl. Franziskus anwesend sind, daran, dass “die Stimme des Friedens und der universalen Brüderlichkeit”, die sich vor 30 Jahren vom Hügel von Assisi erhob, “heute lauter ist und der ihr innewohnende Geist sich verbreitet hat und vielen in der Welt Mut verliehen hat”. Er möchte auch “im Namen derer sprechen, die keine Stimme haben, da sie von Krieg und Gewalt überrollt wurden”, damit “die Hoffnung des Friedens, die wir verkörpern, denjenigen Linderung, Trost und Kraft bringen möge, die wegen Krieg, Terrorismus und Gewalt leiden”.

Einige Zeugnisse am ersten Tag des Treffens führten vor Augen, wie – auch dank des Einsatzes von Frauen und Männern der Gemeinschaft Sant’Egidio – der Geist des Friedens von Assisi und der gemeinsame Weg in diesen 30 Jahren viele lokale Frieden zustande gebracht hat. Somit brachte  Faustin Archange Touadéra, der Präsident der Zentralafrikanischen Republik in Erinnerung, wie in seinem Land der Friede ermöglicht wurde, “da gläubige Männer und Frauen nicht die Logik einer religiösen Auseinandersetzung akzeptiert haben”, und wie dank der Arbeit der Gemeinschaft Sant’Egidio, die während der schwierigsten Jahre der Krise, nie aufgehört hat “mit den religiösen Gemeinschaften, den bewaffneten Gruppen und den politischen Parteien zu sprechen, um alle Menschen in Zentralafrika daran zu erinnern, dass ihre Geschichte im friedlichen Zusammenleben zwischen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Kulturen besteht”, sodass die Gemeinschaft “nicht nur ein Freund unseres Volkes, sondern auf gewisse Weise Teil unseres zentralafrikanischen Volkes geworden ist”. Baleka Mbete, der Präsident der südafrikanischen Nationalversammlung beschrieb wie sich sein Land von einem “Kriegstheater”, von einem “Schurkenstaat” hin zu einer “Regenbogen-Nation” gewandelt hat und – auch wenn “noch im Zustand des Wandels” -  auf einen Weg des “nachhaltigen Friedens” hin ausgerichtet hat, indem es “den Weg der Übergangsjustiz gewählt hat anstelle einer unendlichen Hexenjagd und endloser Bestrafungen”.

Mohammed Sammak, Politischer Berater des Großmufti im Libanon, sagte, dass “die Auseinandersetzung mit dem Thema des religiösen Extremismus vorwiegend eine Pflicht der Muslime” sei, und dass sie ihre Religion befreien müssen aus der “Entführung”, derer die Extremisten den Islam unterworfen haben, indem sie ihn benutzen als “Rachinstrument, als totalitäre Bewegung im Namen der Religion”. Der Islam jedoch glaubt an den “Pluralismus und betrachtet die Unterschiedlichkeit der Menschen als Ausdruck göttlichen Willens”. Auf dieselbe Weise erinnert auch der israelische Rabbiner Avraham Steinberg daran, dass die Lehre der Bibel und des Talmud “keine Alternative zum Frieden und für das internationale Zusammenleben” sehen, weshalb “das Töten wegen Uneinigkeit die größte Schuld bedeutet, und niemand auf der Welt kann dies vor Gott rechtfertigen”. Der Erzbischof von Rouen, Mons. Dominique Lebrun, der am Ende der Messe, die er zelebriert hat, an den Mord an P. Jacques Hamel erinnert hat, bat um “die Gnade, dass die Anerkennung des Martyriums, keine Fahne des Kampfes oder der Verurteilung sein möge, sondern Ausdruck der danksagenden Freude über das Geschenk eines Priesters, der sein Leben im Namen von Christus hingegeben hat”.