Gastro- und Hotelführer für Bettler und Obdachlose in Rom

Die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio gibt einen Führer heraus, in dem Speiseräume und Gratisunterkünfte aufgelistet sind

Gastro- und Hotelführer für Rom-Touristen gibt es zuhauf – zu erwähnen wäre etwa der Guide Michelin für das gehobene Publikum oder auch die beiden Klassiker für Rucksacktouristen, der Lonely Planet und der Guide du Routard. Daneben hat die Ewige Stadt aber auch noch einen ganz speziellen Führer zu bieten – einen für Menschen, die kein Geld haben: die Bettler, die Obdachlosen, die Migranten.

Für sie gibt die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio jedes Jahr den Führer Roma Dove (Rom Wo) heraus, in dem Speisesäle und Mittagstische aufgelistet sind, in denen Pfarren, Hilfsorganisationen, die Gemeinde Rom oder auch der Vatikan den Bedürftigen gratis eine warme Mahlzeit anbieten. Daneben finden sich die Adressen der Unterkünfte, wo die Obdachlosen schlafen können.

Tipps für den Umgang mit Behörden

Zudem sind Gratiswaschgelegenheiten verzeichnet, darunter jene, die Papst Franziskus in unmittelbarer Nähe des Petersplatzes hat einrichten lassen. Und schließlich enthält Roma Dove auch nützliche Tipps für den Umgang mit Behörden.

"In Rom leben 7.000 bis 7.500 Menschen auf der Straße, und nur etwa 4.000 von ihnen kommen in den Schlafsälen der karitativen Organisationen und der Stadt unter", betont Carlo Santoro von Sant'Egidio. Dass so viele Obdachlose im Freien übernachten müssten, sei aus christlicher Sicht inakzeptabel – bei den Temperaturen, die auch in Rom in der Nacht auf den Gefrierpunkt fallen können, erst recht.

Sant'Egidio stellt ebenfalls Schlafplätze zur Verfügung und hat mit Erlaubnis des Pontifex die päpstliche Basilika San Callisto nachts für weitere 40 Obdachlose geöffnet. Vor allem aber führt die Laiengemeinschaft im Stadtteil Trastevere eine große Mensa für Arme und Obdachlose. In zwei Speisesälen werden dreimal die Woche jeweils 800 bis 900 Personen verpflegt. "Für einen Betrieb während der ganzen Woche reicht das Geld nicht", sagt Santoro.

Kein Zugang in Restaurants

Die Mensa von Sant'Egidio kennt keine Selbstbedienung – den Gästen wird das Essen an den Tisch serviert. "Zu uns kommen Menschen, die sich niemals ein Essen im Restaurant leisten könnten – oder wegen ihrer Kleidung schon gar nicht hereingelassen würden. Auch das ist ein Element, das sie vom Rest der Gesellschaft ausschließt", betont Santoro.

Durch den Tischservice wolle Sant'Egidio den Obdachlosen zeigen, dass sie trotz ihrer Armut gleichwertige Menschen mit der gleichen Würde seien. "Das ist uns wichtig, und das hat auch Papst Franziskus gesagt, als er in unserer Mensa zu Gast war: Helfer sollen nicht auf Bedürftige herabblicken, sondern sollen mit ihnen eine Gemeinschaft sein."

Zu einem Gemeinschaftserlebnis der besonderen Art wird auch dieses Jahr wieder das Weihnachtsessen für Obdachlose in der Kirche Santa Maria in Trastevere, der "Hauskirche" von Sant'Egidio. In der ältesten Marienkirche Roms mit ihren antiken Marmorsäulen und ihren Goldmosaiken werden die Kirchenbänke zur Seite geschoben und an deren Stelle dutzende von Esstischen aufgestellt.

"Schwierigste Zeit des Jahres"

"Die Weihnachtszeit ist für viele Bettler und Obdachlose die schwierigste Zeit des Jahres, nicht nur wegen der Kälte. Weihnachten ist ein Fest der Familie, und viele jener, die auf der Straße leben, haben ihre eigene Familie verloren", sagt Santoro. Umso wichtiger sei es, ihnen zu Weihnachten das Gefühl zu geben, Teil einer Gemeinschaft zu sein.

Die Laiengemeinschaft Sant'Egidio ist 1968 von Schülern und Studenten in Rom gegründet worden. Benannt ist sie nach ihrem Hauptsitz in einem ehemaligen Kloster an der Piazza Sant'Egidio in Travestere. Die Gemeinschaft hatte sich von Anfang an der Bedürftigen angenommen. Seit vielen Jahren engagiert sie sich auch in der Flüchtlingsbetreuung. Wegen ihres Friedenseinsatzes und ihrer erfolgreichen Vermittlung im Mosambik-Konflikt im Jahr 1992 wird Sant'Egidio auch die "Uno von Trastevere" genannt. Weltweit zählt Sant'Egidio rund 50.000 Mitglieder; Gemeinschaften gibt es auch in Österreich, in Deutschland und in der Schweiz.

Weiterführende Info: www.santegidio.org


[ Dominik Straub ]